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Methoden der Ablenkung:

Kultivierung von Feindbildern und Kriegstreiberei



Wie bereits ausführlich beschrieben, hat diese Krise eine ganz handfeste Ursache (den Mechanismus der Geldschöpfung). Weiterhin ist klar, dass es auch Menschen oder Gruppen von Menschen gibt, die von dieser Krise bzw. von der Hinauszögerung ihrer Lösung zu profitieren glauben. Folglich liegt auf der Hand, dass es auch Bestrebungen gibt, von der wahren Ursache dieser Zustände abzulenken.



Sündenböcke:

Eine Methode der Ablenkung besteht darin, Feindbilder zu kultivieren, bis hin zum Schüren von Kriegen. Es ist dies womöglich die älteste bekannte Methode, um von den eigenen Missständen abzulenken, zumal sie dem menschlichen Naturell sehr entgegenkommt, die Verantwortung für irgendwelche Probleme niemals bei sich selbst zu suchen. Der biblische Sündenbock entspricht genauso diesem Muster wie der Antisemitismus, der nicht erst in Nazi-Deutschland böse Auswüchse trieb.

Gegenwärtig stellt der Islam die hauptsächliche Ausprägung des Sündenbocks in unserem Kulturkreis dar. Das ist spätestens seit dem Anschlag auf das World-Trade-Center so,  dem die Überfälle auf den Irak und Afghanistan auf dem Fuße folgten. Fast könnte man da sogar auf den Gedanken kommen, dass dieser Anschlag genau zu diesem Zwecke organisiert worden wäre - was aber nicht belegbar ist, und deshalb irrelevant. Real ist dagegen die ganz konkrete Auswirkung dieses Anschlags: Sowohl die versteckte Diffamierung als auch die offene Beleidigung von Menschen muslimischen Glaubens sind seitdem zunehmend hoffähig geworden, und es werden ganze Wahlkämpfe mit diesem Thema bestritten.

Rassistischen Äußerungen wird zunehmend Gehör geschenkt, und sie werden sogar gefeiert, als "erfrischende und mutige Äußerungen, die vom Joch der politischen Korrektheit befreien" - wobei das Hauptziel derartiger Äußerungen zunächst vor Allem jene Moslems sind, die hier leben. Die Frage, inwieweit man damit die Würde jener Mehrheit von deutschen Moslems verletzt, die völlig rechtschaffen und produktiv hier leben, wird von jenen selbsternannten  "Aufklärern" natürlich nicht gestellt - wobei der Verdacht auf der Hand liegt, dass diese Leute ihr eigenes Grundgesetz nicht kennen, welches besagt: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Gleich an mehreren Aspekten erkennt man den Sündenbockcharakter derartiger Kampagnen:

- An der Pauschalisierung der Äußerungen. Da ist immer nur die Rede von "den" Moslems und "den" Immigranten.  Pauschalisierung ist aber zumeist ein Zeichen von ausgesprochener Dummheit - selten von Charakterstärke.

- An der nicht vorhandenen persönlichen Erfahrung zum Thema derer, die solche Äußerungen tätigen. Stattdessen werden  irgendwelche Statistiken und pseudowissenschaftliche Zusammenhänge hervorgekramt. Technokratie ersetzt da direkte Erfahrung; Vorurteil das Urteil. Die Korrelation ist frappierend, in welchem Maße die größten derartigen Ressentiments gerade bei jenen Menschen auftreten, die im Alltag den geringsten Kontakt mit dem Objekt ihrer Angriffe, in diesem Fall die Moslems,  haben. Es scheint so zu sein, dass man den Sündenbock nicht persönlich kennen darf, um guten Gewissens auf ihn einschlagen zu können. 

Ein ganz klassisches aktuelles Beispiel für derartige Sündenbock-Hetze ist der Fall Sarrazin. Dieser Fall ist insofern ganz besonders interessant, als dass dieser Mann eine hohe Position bei der Bundesbank innehat. Da geriert er sich nun als "mutiger Aufklärer" - macht in seiner Aufklärungsarbeit aber spannenderweise einen ganz großen Bogen um genau jenen Themenbereich, für den er eigentlich Kraft seines Amtes zuständig ist: das Finanzwesen dieses Landes. Als ob es da nichts aufzuklären gäbe! Und wie auf diesen Seiten dargelegt, wäre gerade hier besonders viel Mut zur Wahrheit gefragt - Mut, den Herr Sarrazin aber offensichtlich nicht aufzubringen vermag. Statt sich auf die Missstände im Finanzsystem zu stürzen, schlägt er lieber als Populist reinsten Wassers auf Minderheiten ein und versucht sich in genetischer Anthropologie und anderen Disziplinen, von denen er ganz offensichtlich keine Ahnung hat.

Ein Schelm, wer böses dabei denkt: Offensichtlicher kann Ablenkung gar nicht ablaufen!

Ob Herr Sarrazin mit seinen Äußerungen selbst ganz bewusst von den wahren Ursachen der Krise ablenken möchte oder ob es nur ein unbewusster Verdrängungsvorgang ist, der ihn antreibt, ist dabei übrigens völlig irrelevant: die Wirkung ist dieselbe.

Berlin, 29.08.2010


Zweierlei Maß:

Eine weitere ganz wichtige Methode der Ablenkung von den wahren Missständen besteht in der Erzeugung von klaren Kategorien von "gut" und "böse". Dies ist insofern äußerst wirkungsvoll, als dass damit jener menschliche Zug angesprochen wird, der darin besteht, sich ständig selbst zu bewerten - und zwar immer mit dem Hintergedanken, selbst "gut" sein zu wollen, weil man sich als "guter Mensch" auch nicht mehr anzustrengen braucht. Sollte es nämlich noch irgendwelche Probleme oder Missstände geben, dann sind ganz gewiss die anderen, die nicht so guten, daran schuld. Jeder Populist appelliert an diesen auf der menschlichen Bequemlichkeit basierenden Mechanismus.

Sehr schön kann man das in diesen Tagen anhand der sog. "Tea-Party"-Bewegung in den USA beobachten, wo ausgehend vom durchaus sinnvollen Ansatz, Missstände auszusprechen, zunehmend dazu übergegangen wird, anhand von moralischen Verhaltensregeln den Menschen zu bewerten und zu klassifizieren. Zwar wird dort vorgegeben, man verfolge konkrete politische Veränderungen, doch es geht in Wirklichkeit um etwas ganz anderes: die Welt soll durch moralische Vorgaben in "gut" und "böse" eingeteilt, und ein entsprechendes Milieu "anständiger Menschen" geschaffen werden. Entspricht man diesen Vorgaben (christlich, heterosexuell, patriotisch, prüde, waffenliebend usw.),dann kann man sich als Gutmensch fühlen und sich guten Gewissens das Recht nehmen, Feindseligkeiten gegen jene, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, zu kultivieren.

Es ist z.B. bezeichnend, dass eine der Hauptsäulen dieser Bewegung die verstärkte Fortsetzung der Kriege in Afghanistan und Irak ist - zur "Wiederherstellung der Ehre Amerikas", wie es dort heißt. Alleine das sagt schon alles über den Geist der Ablenkung dieser sich selbst als "frei und ehrlich" verkaufenden Aktivisten: die Würde des Menschen spielt da keine Rolle mehr. Es geht dann auch gar nicht wirklich um gut und böse und schon gar nicht um konstruktive Veränderung, sondern einfach nur um Spalterei, um das Säen von Zwietracht. Diese bewusst vom Zaun gebrochene Spaltung (der Gesellschaft) nützt dann aber auch wieder nur jenen, die von den wahren Ursachen der Krise ablenken möchten - so ganz nach dem Prinzip: "divide et impera" (teile und herrsche).

Berlin, 29.08.2010


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Verweise zum Thema (der Autor haftet nicht für die Inhalte verlinkter Seiten):


- Ein sehr wahrer Artikel: Die Angst des Kleinbürgers vor dem Fremden

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