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Der Niedergang des politischen Systems



Die krisenhafte Entwicklung, die gerade stattfindet, erkennt man auch deutlich an einer immer undurchsichtigeren, ratloseren und wirkungsloseren Politik. Was hier stattfindet, ist nicht nur ein beispielloser Niedergang der politischen Kultur, sondern eine faktische Entmachtung der Politik. Tatsächlich befindet sich die Demokratie als Staatsform angesichts der aktuellen Vorgänge in allerschwerster Gefahr.

Wo sind die Ursachen?

Zum Einen ist da der vielzitierte Lobbyismus am Werk, der wichtige Entscheidungsprozesse ins Hinterzimmer verlegt, auf dass der Normalbürger nicht daran teilnehmen möge. Eigentlich muss man bereits jetzt von einer Lobbykratie anstatt von einer Demokratie als aktuellem politischen System sprechen. Man sieht es allerorten: Völlig unverständliche Entscheidungen wie eine Steuererleichterung für Hoteliers, ein zumindest versuchter Wiedereinstieg in die Kernenergie oder die systematische Bevorteilung privater Krankenkassen: Mehr oder weniger offensichtlich werden hier kleine Interessengruppen zum Nachteil der Allgemeinheit von der Regierung "bedient".

Und dennoch mögen diese Beispiele als vergleichsweise harmlos erscheinen.

Wirklich gemeingefährlich wird dieser Lobbyismus dann aber, wenn es darum geht, ein zutiefst unredliches Geldsystem am Leben zu erhalten, welches sich mehr und mehr als gesellschaftszersetzender Hebel entpuppt. Ganz konkret muss man an dieser Stelle die verschiedenen Bankenrettungspakete (wozu auch die "Bailouts" für einzelne bankrotte Staaten gehören) nennen, deren einziger Zweck darin besteht, die Verluste der Privaten auf die Steuerzahler abzuwälzen. Die Niveaulosigkeit der heutigen Politik zeigt sich dann alleine schon in der Art und Weise, wie derartige Machenschaften als "alternativlos" dargestellt werden, ohne dass der Versuch unternommen würde, die vermeintliche Alternativlosigkeit zu erklären, geschweige denn in Frage zu stellen. Stattdessen wird erwartet, dass die Allgemeinheit alles schluckt.

Und hier zeigt sich dann die wahre Wirkung von ausuferndem Lobbyismus in Zusammenarbeit mit politischen "Parteien", die selbst zu Klüngeln geworden sind: Es findet eine massive Entfremdung zwischen Politik und Bürger statt, die immer mehr auf eine faktische Entmündigung des Bürgers hinausläuft. Es handelt sich hierbei um eine echte Dekadenz der Demokratie.

Dass das politische System sich in einem immer weiter beschleunigenden Erosionsprozess befindet, sieht man an allen möglichen Ecken und Enden:

- Die nachweisliche massive Verletzung der Menschenrechte in weiten Teilen der westlichen Welt (Stichwort: Guantánamo)

- Die systematische Verletzung des Grundgesetzes auf verschiedensten Ebenen (etwa grundgesetzwidrige Angriffskriege; Waffenexporte in Krisengebiete).

- Die Beliebigkeit, mit der ein Politiker gegen den nächsten ausgetauscht wird, ohne dass es Wirkung zeigt.

- Das mangelnde Ansehen der politischen "Kaste" in der Bevölkerung.

- Die zunehmende Abgabe von vitalen öffentlichen Kompetenzen an demokratisch nicht legitimierte Organisationen.

Ein besonders aktuelles und gleichzeitig bezeichnendes Beispiel dafür, wie wenig Wert dem Gut Demokratie durch die aktuelle politische Klasse beigemessen wird, ist die Tatsache, dass Deutschland seit fünf Tagen kein gültiges Wahlrecht (das Herzstück einer jeden Demokratie) mehr besitzt: Ab 1. Juli kann Deutschland nicht mehr alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen lassen. Nicht, dass ich nicht glaube, dass rechtzeitig zur nächsten Wahl doch noch eine Lösung hingemauschelt wird, aber das Ganze ist in seiner offensichtlichen Respektlosigkeit vor der Demokratie ein deutliches Zeichen für eine völlig degenerierte politische Kultur.

Bei so viel Dilettantismus und so wenig Rechtschaffenheit seitens der Politik und ihrer Vertreter, ist klar, dass das allerwichtigste Moment, das diese (und jede) Gesellschaft zusammenhält, immer mehr verlorengeht: das Vertrauen zwischen Regierung und Regierten. Der Schaden ist unermesslich - und dürfte größer und systemgefährdender sein, als jede zahlungsunfähige Bank, denn damit wird die Essenz der Gesellschaft de facto in Frage gestellt. Dem Chaos wird Tür und Tor geöffnet.

Nun ist es aber nicht so, dass man als Bürger mit spitzem Finger auf "die Politiker" oder "die da oben" zeigen kann, und dann glauben, das würde etwas ändern. Auch "die da oben" sind nur Menschen mit den dazugehörigen Schwächen. Auch sie sind Marionetten der Dinge, die da vor sich gehen. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es auch nur einen einzigen Menschen auf der Erde gibt, der immun gegen die Verlockungen von Korruption und undemokratisch ausgeübter Macht ist. Wie heißt es doch so schön: Jeder ist käuflich. Und mal ganz ehrlich: Ich möchte Frau Merkels Job nicht haben! Ich käme mir von meinen Mitbürgern, die lieber auf die Titten irgendwelcher Möchtegern-Models starren oder sich allabends mit Bier vollaufen lassen (oder beides gleichzeitig), ziemlich alleingelassen vor, und würde mich wohl irgendwann dann doch an die halten, die sich um mich kümmern: die Lobbyisten.

Es hilft hier also definitiv nicht weiter, getragen von moralischer Empörung zu hyperventilieren und auf die bösen Politiker zu schimpfen. Was für die Gesundung der Demokratie vonnöten ist, ist die aktive Beteiligung eines jeden Bürgers am politischen Prozess. Allerorten wird beklagt, dass die Politik das Volk an die Interessen der Wirtschaft verkauft. In Wirklichkeit ist es genau andersherum: Das Volk überlässt durch sein Phlegma die Politik dem Zugriff einzelner Interessengruppen. Die Hauptursache für den Niedergang des politischen Systems ist nämlich nicht die Bösartigkeit einzelner Menschen oder Kreise - es ist vielmehr die Tatsache, dass man sie gewähren lässt.

Eine Möglichkeit, oder besser: Anregung zu mehr bürgerlichem Engagement ist gewiss die Realisierung einer echten (d.h.: einer direkten) Demokratie. Aber auch die wird sich eben nicht von alleine einstellen!

Berlin, 05.07.2011




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