rahmen

Zum Krisenverlauf: Stand im Juli 2015

 

Nun habe ich bereits seit ein paar Jahren nichts mehr auf diesen Seiten hier geschrieben. Das liegt aber nicht daran, dass das Thema mich nicht mehr interessieren würde, bzw. dass sich die Krise plötzlich in Nichts aufgelöst hätte (wie ja anscheinend manche Leute zu glauben scheinen), sondern schlicht und ergreifend daran, dass es nichts zu schreiben gab: Alles was in diesen Jahren geschah, war und ist eine folgerichtige Entwicklung dessen, was auf diesen Seiten (und an wenigen anderen öffentlich zugänglichen Stellen auch) beschrieben wird. Da gab es dann auch gar nichts mehr zu kommentieren oder hinzuzufügen, weil eigentlich alles schon gesagt ist, was die Ursache und den weiteren Verlauf der Krise betrifft. Im Nachhinein ist es geradezu erschreckend, wie modellhaft diese Krise weiterging (und wohl auch noch gehen wird).

Warum ich nun doch wieder schreibe, liegt daran, dass es sich heute (einen Tag vor dem Referendum in Griechenland) doch lohnt, ein paar aktuelle Entwicklungen herauszustellen, die das, was in meinen vor fünf Jahren verfassten Texten noch als thesenhafter Ausblick formuliert wird, sichtbar bestätigen.


Punkt 1: Die Entwicklung in Griechenland

Das Wichtigste vorweg: Hier handelt es sich gar nicht um eine "Griechenland"-Krise, sondern um eine veritable Weltwirtschafts-Systemkrise, die eben nicht an allen Stellen gleichermaßen früh auftritt, sondern zunächst da, wo die Stabilität am geringsten ist. Das ist ungefähr so wie die Baufälligkeit eines Hauses, die sich natürlich an manchen exponierten Stellen besonders früh manifestiert, dem Dach etwa oder dem Wasserrohrsystem. Im Falle einer Systemkrise wie dieser können das ganze Länder sein (wie eben Griechenland) aber auch soziale Schichten, religiöse Gruppen usw. - und sogar Ökosysteme.

Was speziell die Entwicklung in Griechenland angeht, so könnte man hier über ganz viele Dinge schreiben, aber es ist vor Allem eine Sache, die ich erwähnenswert finde:

Auf der einen Seite stehen die sog. "Institutionen" EU, IWF und EZB als nicht demokratisch legitimierte Akteure, die immer wieder beteuern, sie würden ja so gerne den Griechen helfen, wenn sie es denn nur zulassen würden. Dass es in Wirklichkeit nur um die Rettung von Banken und dieses auf Schulden basierenden Geldsystems geht, sagen sie natürlich nicht, und auch nicht, dass ihnen das Schicksal der Menschen im Prinzip egal ist. (Es gibt natürlich auch den Typus des scheinbar aufrechten, anständigen Politikers, der sogar selbst daran glaubt, Gutes zu tun, der aber leider das System, dem er dient, nicht im Ansatz verstanden hat. Dazu zählen fast alle "gewählten" Politiker wie Fr. Merkel und Hr. Schäuble).

Auf der anderen Seite ist da das griechische Volk, welches, gefangen in der Schuldenfalle, zunehmend verarmt, angeführt von seinem demokratisch legitimierten und sozialistisch verorteten Ministerpräsidenten, der zwar zumindest durchschaut, dass da ganz prinzipiell (und nicht nur in Griechenland) etwas schiefläuft, der aber selbst nicht die tieferen Ursachen durchschaut, sondern mit der üblichen pathetischen Sozialistenleier daherkommt, die gut lamentieren aber wenig bewirken kann (ganz einfach deshalb, weil sie ein unrealistisches Menschenbild zur Grundlage hat, und ihren traditionellen Gegenspieler, den "Kapitalismus", nicht verstanden hat).  Immerhin muss man ihm den Mut hoch anrechnen, Dinge in Frage zu stellen, die es verdienen - das alleine reicht aber leider noch nicht.

Diese beiden Seiten liefern nun ein Schauspiel, von dem man meinen könnte, man befände sich in einem Irrenhaus. Jeder halbwegs mit gesundem Menschenverstand ausgestattete Mensch sollte allerdings merken, dass das Ganze eine Inszenierung ersten Grades ist, die lediglich der Desinformation und der Sündenbocksuche dient. Und das ist dann auch der Punkt, den ich an der ganzen Sache am bemerkenswertesten finde: die mangelnde Informiertheit des Volkes bei gleichzeitig höchstmöglicher Emotionalisierung. Eine Berichterstattung wie eine Fußballspielübertragung: Mal ist der Ball hier, dann wieder da, fast wird ein Tor geschossen, dann aber doch nicht, Sondertagungen, erste, zweite und dritte Ultimaten, wütende, lachende und erschöpfte Akteure usw.. Eigentlich sollte man jetzt ein Wettbüro eröffnen ...

Was es leider so gut wie gar nicht gibt, sind Artikel, in denen die verschiedenen Punkte der abgelehnten und wieder neu verfassten "Papiere" und "Hilfspläne" detailliert und differenziert beleuchtet werden. Ich wüsste gerne, warum Hr. Tsipras diese oder jene "Hilfsmaßnahme" ablehnt, bzw. warum für seine Verhandlungskontrahenten diese oder jene Reformmaßnahme "essentiell" ist! Aber ich finde nichts dazu. Stattdessen soll ich mitzittern bzw. jubeln. Stimmungsmache statt Information. Es ist geradezu peinlich, auf welch miserablem Niveau sich diese so genannte "Berichterstattung" bewegt. Und das kann nur daran liegen, dass eine sachliche Diskussion zu diesem Thema gar nicht erwünscht ist. Womöglich würden Hinz und Kunz dann bemerken, in welchem Land sie leben! Stattdessen soll mit dieser zur Schau getragenen Dramatik ohne Inhalte das Gefühl von Informiertheit erzeugt und gleichzeitig das Volk auf womöglich eintretende Verwerfungen eingestimmt werden.

Hier geht es also genau um das, was ich bereits vor fünf Jahren als "gleichgeschaltete und zensierte Presse" sowie "Verschleierung des Geldsystems" beschrieb. Diesen Mechanismus sehen wir in diesen Tagen sehr schön am Werke!



Punkt 2: Kriegstreiberei

Wie bereits in früheren Texten erwähnt, besteht eine Konsequenz (oder Lösungsmöglichkeit) einer Krise wie der aktuellen darin, dass Kriege geführt werden. Dies deshalb, damit dann auf den entstandenen Trümmern wieder neue Schulden -Kettenspiele (hier in Deutschland nannte man das damals "Wirtschaftswunder") in Gang gesetzt werden können.

Natürlich braucht es dazu Kriegsgegner ("Bösewichter") und Völker, die diese Kriege mitzutragen bzw. vom Zaun zu brechen bereit sind.

Eine Entwicklung der letzten Zeit besteht nun gerade darin, dass sich langsam ein Trottel gefunden zu haben scheint, der diese Rolle bereit ist zu übernehmen, nämlich Hr. Putin und das weitgehend geschlossen hinter ihm stehende russische Volk. Keine Ahnung, was Putin antreibt, wahrscheinlich übersteigerte Macho-Minderwertigkeitskomplexe gepaart mit Sowjet-Nostalgie und befeuert von der Annahme, mit seinen Bodenschätzen sei Russland groß und stark und unbesiegbar - aber das ist im Prinzip auch egal. Sicher ist, dass auch er die Rolle nicht erkennt, in die er sich da gerade begibt.

Ein weiterer Bösewicht, der als künftiger Kriegsgegner gehandelt wird, ist der internationale Islamismus, (eben noch als "Al Qaida" heute als "IS"). Natürlich stimmt es, dass diese Leute Verbrecher sind, die mit wenig Gehirnschmalz aber großem religiösen Eifer maximalen Schaden anrichten. Es ist aber auch so, dass all diese so plötzlich aufgetauchten Bösewichter mit Waffen um sich schießen, die auf mehr oder weniger direktem Wege (etwa über den Einmarsch in den Irak) aus dem Westen stammen - häufig genug finanziert durch die deutschen Autofahrer, die in jenen Weltregionen ihr Benzin einkaufen zu müssen glauben. Man denke auch nur mal an die 200 Leopard-Panzer, die an die mittelalterliche Monarchie der Saudis (deren ethischer Kodex nur in Nuancen von dem der IS´ler abweicht) verkauft wurden!

Gerade vor einer Woche verkündete unsere Verteidigungsministerin freudestrahlend, man wolle den Wehretat massiv erhöhen. Dies sei nötig angesichts der Unruheherde in der Ukraine und dem Nahen Osten ...



Außer den beiden genannten gibt es noch weitere aktuelle Entwicklungen, die typische Symptome der laufenden Systemkrise sind, die aber leider von den wenigsten Menschen auch als solche verstanden werden:

- die immer weiter aufgehende Schere zwischen arm und reich - nicht nur in der "dritten Welt" oder China, sondern auch hier in Deutschland.

- die so noch nie da gewesenen Flüchtlingsströme, aus Ländern, die noch ärmer als Griechenland sind, und in denen sich die Schuldenfallenthematik noch stärker auswirkt (nur für die deutsche Öffentlichkeit unhörbarer)

- ganze dem organisierten Verbrechen in die Hände fallende Gesellschaften, etwa in Mexiko, begleitet von totaler Verrohung, von alltäglichem Mord und Totschlag

- die Zunahme von Sklaverei und sklavereiähnlichen Arbeitsverhältnissen

... um nur einige zu nennen.

 

Berlin, 04.07.2015

 

Anmerkung: Dieser Text unterliegt ausdrücklich nicht dem Urheberrecht, sondern darf nach Belieben vervielfältigt, verbreitet, verlinkt, übersetzt und zitiert werden.



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