+++

rahmen

Zum Krisenverlauf: Stand im April 2020

 

Die politischen Akteure

 

In den vergangenen zwei Jahren  geriet es immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit:

Die definitiv wichtigste Krise, die die Menschheit zu konfrontieren hat, ist der Niedergang ihres Lebensraumes.

Da geht es um radikale Veränderungen des Klimas, um Artensterben, Umweltverschmutzung, Flüchtlingsströme und bald womöglich auch um Nahrungsengpässe und Massensterben. Kurzum: Es ist eine Krise, die den gesamten Planeten gleichermaßen betrifft und die demzufolge auch nur durch eine Kooperation aller beteiligten Menschen, Nationen und Gesellschaften gelöst werden kann. Und dass diese Krise auf solche Weise auch gelöst werden kann liegt in der Natur der Sache: Diese Krise ist menschengemacht und deshalb auch durch die Menschheit lösbar.

Im schlimmsten Falle wird sie dadurch gelöst, dass die Menschheit sich selbst überflüssig macht und verschwindet. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Zivilisation deshalb ausstirbt, weil sie ihre ökologischen Grundlagen zerstört hat (z.B. die Kultur der Osterinseln, die Maya).

Im besten Fall wird der Menschheit klar, dass wir alle im selben Boot sitzen und dass wir lernen müssen zu kooperieren und am selben Strang zu ziehen. Kurzum: Die Menschheit kann anhand der ökologischen Krise zeigen, dass sie mehr ist als eine Rotte von Affen, die sich um die dickste Kokosnuss streitet.

Nun kommt mit der Verbreitung des Corona-Virus in diesen Wochen noch eine weitere globale Krise hinzu. Sie ist zwar nur bedingt menschengemacht, betrifft aber in gleicher Weise den gesamten Planeten - nur in noch akuterer und direkterer Weise. Da diese Krise ungleich plötzlicher über uns hereingebrochen ist, ist sie sogar noch viel mehr dazu geeignet, die Menschheit aufzuwecken und aus ihrem "Kokosnuss-Modus" zu erlösen. Sie ist so etwas wie der kleine Bruder der ökologischen Krise.

Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, zunächst einmal die wichtigsten politischen Akteure dieses Planeten zu betrachten und damit das politische Instrumentarium, das für die Bewältigung dieser Krise zur Verfügung steht:



Die Vereinigten Staaten von Amerika

Die USA haben in den vergangenen 75 Jahren dem Planeten mehr Fortschrittsimpulse gegeben als jedes andere Land der Welt. Deshalb könnte man von den USA auch am ehesten erwarten, dass sie die führende Rolle bei der Lösung der anstehenden Menschheitskrisen übernehmen würden.

Die Wahrheit sieht aber ganz anders aus: Die Zukunftszugewandtheit der USA ist eine rein äußerliche und beschränkt sich auf kleine Gruppen in den großen Städten an den Küsten. Der größte Teil des Landes ist dagegen auf einem Niveau angekommen, das man der so genannten 3. Welt zuschreiben würde: Eine verrottende Infrastruktur, Menschen, die von der Hand in den Mund leben, ein mehr als unterentwickeltes Gesundheitssystem und ebensolches Bildungssystem. Jeder, der durch die ländlichen Gegenden dieses Landes fährt, kann es mit eigenen Augen beobachten.

Der wichtigste Indikator für den Niedergang der USA ist aber vor allem das Eine: die maßlose und immer weiter wachsende Ungleichheit. (Und man kann es nicht oft genug sagen: Der Entwicklungsgrad einer Gesellschaft macht sich nicht daran fest, wie modern die dort verwendeten Handys, Raumschiffe oder Diskotheken sind, sondern einzig und alleine daran, wie klein oder groß die dort herrschende Ungleichheit ist. Das Prinzip der Teilhabe ist immer der Schlüssel!)

Spätestens mit der Präsidentschaft Ronald Reagans begann sich die Geldumverteilungs-Maschine zu regen: Kompetenzen, die natürlicherweise dem Gemeinwesen und damit dem Staat angehören, wurden immer mehr irgendwelchen privatwirtschaftlichen Interessengrupen zugeschrieben. Es handelt sich hier um eine handfeste Ideologie, und zwar um die Ideologie der "freien Marktwirtschaft", derzufolge möglichst alles getan werden muss, das Gemeinwesen dem wirtschaftlichen Geschehen zu unterwerfen und es ganz privaten Initiativen zu überlassen. Dass dabei stets nur noch das Recht des Stärkeren (also des Reicheren) gilt, wird geflissentlich übersehen.

(Ich setze "freie Marktwirtschaft" hier in Anführungsstriche, weil in diesem System nur die frei sind, die über besonders große Geldsummen verfügen, die meistens aus einer Erbschaft stammen oder einem sonstigen Glücksfall zu verdanken sind. Alle anderen können getrost als unfrei gelten, was historisch ein Synonym für "versklavt" ist)

Letztendlich ging es in den letzten etwa 40 Jahren dann auch nur noch um die Frage, wann die USA in einer Oligarchengesellschaft angekommen sein würden. Und diese Frage hat sich mit der Wahl des Milliardärs Trump endgültig beantwortet. Oligarchengesellschaften sind aber nun einmal Standard der 3. Welt und zeichnen sich dadurch aus, dass ein entwickeltes Gemeinwesen (eine "res publica" mit unabhängiger Rechtssprechung, Systemen zum sozialen Ausgleich und eine allen Menschen gleichermaßen zugängliche Infrastruktur) praktisch nicht mehr existiert. Dafür aber nehmen Vetternwirtschaft, Propaganda und Willkürpolitik überhand - die passenderweise in irgendwelchen "gated comunities" ausgebrütet werden oder gleich in Golfclubs, die dem Präsidenten persönlich gehören. Es sind Zustände, wie sie in praktisch allen Ländern der so genannten 3. Welt zu finden sind.

Und genau das ist das Amerika von Trump dann auch: ein Land im Niedergang. Das "Let´s make America great again" ist der Aufruf zur Landung in einer Realität, in der die USA kraft- und kopflos sind.

Von diesem Land kann man nichts erwarten - weder was die ökologische Krise noch die aktuelle Pandemie angeht. Nicht nur der Präsident ist (charakterlich und intellektuell) völlig überfordert: die gesamte amerikanische Gesellschaft ist es. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind als führende Weltmacht ausgeschaltet. Zur Bewältigung der aktuellen Krise trägt dieses Land nichts bei.



Russland

Russland ist das größte Land der Erde. Zumindest flächenmäßig, wie ein Blick auf jede gängige Weltkarte zeigt: Da könnte man z.B. meinen, es sei mindestens fünfmal so groß wie Brasilien. Tatsächlich umfasst seine Fläche rund 17 Mio. qkm. Damit ist es aber lediglich rund doppelt so groß wie Brasilien, welches eine Fläche von rund 8,5 Mio. qkm umfasst. Ganz so groß wie es es scheint, ist es dann also doch nicht. Es handelt sich um eine optische Täuschung, die auf der geografischen Verzerrung beruht, die sich bei der Projektion der kugelförmigen Erde auf die flache Landkarte ergibt.

Nicht, dass das wirklich wichtig wäre, es ist aber symptomatisch. Man wird den Eindruck nicht los, dass viele Menschen meinen, aus dieser vermeintlichen Riesenhaftigkeit ließe sich direkt eine weitere Schlussfolgerung herleiten, nämlich die, dass Russland eine Weltmacht sei und damit federführend bei der Krisenbewältigung sein könne. Die Wahrheit sieht anders aus: Tatsächlich ist Russland keine Weltmacht sondern sogar ein ausgesprochener Zwerg, wenn man als Maßstab seinen zivilisatorischen Beitrag zum Projekt "Menschheit" nimmt. Und nur dieser Maßstab zählt!

Natürlich besitzt Russland große militärische Macht und, in weit geringerem Maße, auch wirtschaftliche Macht. Das war es dann aber auch schon.

Was Russland dagegen völlig abgeht, ist eine Eigenschaft, die eine wahre Weltmacht unabdingbar besitzen muss: eine Leuchtturmfunktion für die Welt, eine Art Magnetismus, die diese Gesellschaft auf die Menschen des Planeten ausübt - auch auf die, die in anderen Ländern leben. Rom hatte es. Frankreich hatte es in seiner Blütezeit. Das britsche Empire hatte es. Die USA des ausgehenden 20. Jahrhunderts hatten es. Russland hat es nicht! Sogar Brasilien hat heutzutage mehr davon. In meinem Bekanntenkreis kenne ich niemanden, der den Wunsch hat, in Russland zu leben, die russische Lebensart anzunehmen, ja, der wenigstens Urlaub dort machen möchte. Dagegen kenne ich sehr viele, die von dort ausgewandert sind und aus guten und nachvollziehbaren Gründen um keinen Preis zurück wollen. Russland besitzt keinen Magnetismus, keine Vorbildfunktion und ist deshalb auch keine Weltmacht. Es ist aber dennoch ein großes Land, das sich konstruktiv in das Weltgeschehen einbringen könnte. Tut es aber nicht.

Gelenkt wird Russland derzeit von einer oligarchischen Elite, deren ausführendes Organ Hr. Putin ist. Ihr Ziel: Die eigene Macht und den eigenen Reichtum zu vergrößern. Zur Umsetzung dieses Zieles finden verschiedene Methoden Anwendung:

Die eine ist die möglichst weltweite Installierung und Unterstützung von Regierungen und politischen Strömungen, die dem oligarchischen Prinzip folgen, wie es in Russland selbst ja bereits existiert.
Ein Extrembeispiel dafür ist die massive russische Unterstützung des syrischen Präsidenten Assad mit Hunderttausenden von Toten. Sogar der Einsatz von chemischen Kampfstoffen wird dabei in Kauf genommen.
Ein weiteres Beispiel ist die wahrscheinlich entscheidende Einflussnahme bei der letzten amerikanischen Präsidentenwahl zugunsten Trumps, der ja selbst ein Anhänger des Oligarchentums und Feind jeglicher wirklich freien Gesellschaft ist.
Ein weiteres Beispiel ist die Unterstützung rechtsradikaler Parteien, wie etwa die "Front National" in Frankreich oder die "Alternative für Deutschland" hierzulande, deren Exponenten sich regelmäßig mit Russland verbrüdern.
Gleichzeitig wird alles getan, um Gesellschaften zu destabilisieren, die das oligarchische Prinzip ablehnen - allen voran die EU. (Z.B. liegt ein Grund zur ständigen Aufrechterhaltung des Kriegszustandes in Syrien sicherlich auch in der Generierung von Flüchtlingsströmen, mit denen man die Gesellschaften in Europa aus dem Gleichgewicht bringen möchte - auch mit Hilfe der oben genannten Parteien als ausführende Organe.)

Die zweite Methode ist der ständige Appell an das russische Nationalgefühl mit Berufung auf die vermeintliche Einzigartigkeit, die historische Aufgabe, die großartigen Werte der russischen Nation. Da wird in dieselbe Mottenkiste gegriffen wie dunnemals von Kaiser Wilhelm. So ist die vorläufige Einverleibung der Krim in diesem Kontext zu verstehen. Ebenso die Verbrüderung der russischen Regierung mit der orthodoxen Kirche und ihren verknöcherten Vorstellungen oder die Verfolgung von Journalisten, die das schönfärberische nationalistische Gemälde hinterfragen.

Eine dritte Methode ergibt sich aus dem Werdegang des russischen Präsidenten selbst: Geheimdienstmethoden  werden ohne Rücksicht auf Verluste eingesetzt: Gift- und andere Morde von Oppositionellen, die in anderen Ländern Zuflucht suchten, die Entsendung von russischen Soldaten ohne militärische Kennzeichnung in Kriegsgebiete wie die Ostukraine, die Erstellung ganzer Troll-Fabriken zur Beeinflussung der Weltmeinung - um nur einige zu nennen.

So vielschichtig und mitunter undurchsichtig das russische Agieren in der Welt wirken mag, so erkennt man stets eine ganz bestimmte Einfärbung: Es geht immer nur um das verzweifelte Bemühen, den Anschein aufrecht zu erhalten, Weltmacht zu sein und die Welt nach der eigenen Façon formen zu können. Der Anspruch, die eigenen Möglichkeiten auch zum Wohle des gesamten Planeten einzusetzen, ist dagegen nicht zu erkennen.

Gestalter dieses doch eher schmalspurigen, provinziellen und egoistischen Weges ist ein Präsident, der hochintelligent ist und durchaus auch Ziele hat, die er konsequent verfolgt. Man wird aber den Eindruck nicht los, dass diese Ziele im Grunde genommen sogar nur der Überwindung eines persönlichen Psycho-Traumas des Herrn Putin untergeordnet sind: die Auflösung der Sowjetunion am Ende des 20. Jahrhunderts. Es scheint als ginge es ihm nur um die Restauration einer wie immer gearteten "Sowjetunion II" - noch nicht einmal um die Menschen in diesem Land . Die werden zur Not in Gefängnisse verfrachtet oder vergiftet.

Das ist aber zu wenig, um zur Lösung der aktuellen Menschheitskrise etwas konstruktives beizutragen. Vielmehr macht Russland bzw. sein Präsident den Eindruck eines kleinen Jungen, der im Sandkasten spielt und aus Neid über die schöneren Sandburgen der anderen Kinder alles tut, um sie zu zerstören. Besser er trüge Sorge dafür, dass die russische Gesellschaft an Substanz und Stärke gewinnt! Industrie, Kulturleben, allgemein zugängliche Gesundheitssysteme, freier Diskurs, Rechtssicherheit für alle: das sind Dinge, die Russland wirklich voranbringen würden. Die Rolle als Stinkstiefel der Welt hilft niemandem, am wenigsten Russland selbst.

Abschließend ein Beispiel, in dem die russische Selbsttäuschung offensichtlich wird:
 
Mitunter scheint es, als ob man sich in Russland über die Klimaerwärmung insgeheim freuen würde und eigene Vorteile darin vermutet - und deshalb keine Anstalten macht, dagegen anzugehen. Stichwort: Sibirien wird bewohnbar. Das wäre in gewisser Weise sogar nachvollziehbar, ist aber ein großer Irrtum: Selbst wenn die ökologische Katastrophe nicht auch in Russland unsäglichen Schaden anrichten sollte, so wird ein aufgetautes Sibirien kein Segen für das Land sein. Mit der gleichen Begründung, mit der Russland die Krim völkerrechtswidrig  "heim ins Reich" holte (nämlich einem angeblichen "historischen Anspruch") wird im gegebenen Moment  ein ökologisch gebeuteltes China Anspruch auf die Süßwasserressourcen und landwirtschaftlichen Flächen in Sibirien erheben. Immerhin darf man nicht vergessen, dass Sibirien historisch betrachtet nichts anderes als eine russische Kolonie in Ostasien ist und deshalb durchaus mit gewisser Berechtigung eher Ostasien als Russland zugezählt werden könnte. Ein paar unmündig gehaltene, betrunkene Russen würden dem nichts entgegenzusetzen haben.

All das sind Dinge, die den Planeten bei der Lösung der aktuellen Menschheitsprobleme Klimaveränderung und Corona-Pandemie aber keinen Schritt weiterbringen. Russland hätte große Potentiale sich konstruktiv einzubringen. Tut es aber nicht. Es verschwendet seine Kraft mit hoffnungslosen, an der Vergangenheit orientierten Weltmachtsambitionen.



China

Zumindest auf den ersten Blick ist das bei China anders: Es handelt sich um eine vibrierende, hochmoderne Gesellschaft, deren Fortschritt geradezu im Zeitraffer beobachtet werden kann. Projekte, die in Europa oder den Vereinigten Staaten im Schneckentempo vorankommen, passieren dort über Nacht. Pläne und Visionen werden nicht nur gefasst sondern auch umgesetzt. Es wird nicht gekleckert sondern geklotzt. Das alles ist aber nur deshalb möglich, weil dort eine Zukunftszugewandtheit herrscht, die man überall woanders auf diesem Planeten suchen kann.

Und damit besitzt China auch genau das, was man z.B. einem Land wie Russland getrost absprechen kann: eine zivilisatorische Leuchtturm- oder Vorbildfunktion für die Welt wie sie einer wahren Weltmacht gebührt. Das nimmt man vielleicht nicht so sehr in Europa oder Nordamerika wahr, wohl aber in der so genannten 3. Welt: In diesen Ländern sind es vor allem chinesische Initiativen und Projekte, die Fortschritt bringen bzw. als solcher wahrgenommen werden. Da geht es um Infrastrukturmaßnahmen, logistische Hilfestellungen, Ausbildung und die Erschließung neuer Ressourcen: lauter Dinge, deren Realisierung auch all jenen Menschen und Ländern zugute kommt, deren Gesellschaften ansonsten in Misswirtschaft und Korruption versinken.  Entsprechend stark wirkt China in der Gegenwart als globaler zivilisatorischer Impulsgeber und kultureller Magnet - und damit als Weltmacht. Denn wie gesagt: Der Status als Weltmacht macht sich weniger am Bruttosozialprodukt fest sondern in erster Linie an der kulturellen Strahlkraft auf die Welt. Und da hat China zur Zeit die Nase vorn.

Allerdings: Auf den zweiten Blick relativiert sich dieses Bild schon ganz gehörig.

Zwar ist die chinesische Gesellschaft "der Zukunft zugewandt", wie man so schön sagt, weshalb man auch meinen könnte, die wahren Probleme würden erkannt und angegangen. Tatsächlich ist das aber nicht der Fall: In China scheint sich - nicht anders als in anderen Gesellschaften - alles nur um die wirtschaftliche Vormachtstellung und die Mehrung des eigenen Reichtums zu drehen. Diesem Ziel wird alles andere untergeordnet, und zwar in noch radikalerer Weise als in jedem anderen Land der Welt. Gibt es in anderen Gesellschaften noch Strömungen, die gewisse Entwicklungen in Frage stellen und auch bremsen (freie Informationsflüsse, Bürgerbewegungen, eine unabhängige Rechtssprechung usw.), existiert das alles in China nicht. Stattdessen wird alles daran gesetzt, derartige Dinge zu unterdrücken.

Was dort zur Zeit entsteht ist ein modern-faschistischer Staat, dem jedes Mittel recht ist, das sich ihm zur Durchsetzung der kompletten Gleichschaltung und Unterdrückung seiner Untertanen bietet:

Dazu gehört der massive Einsatz von moderner Technologie zur Disziplinierung der Bevölkerung, z.B. ein durch Totalüberwachung ermöglichtes "Punktesystem", das jede Handlung eines jeden einzelnen Bürgers bewertet und sanktioniert.

Dazu gehört eine komplette Lenkung sämtlicher Informationsflüsse bis hin zur Abschottung des Internets um die eigene Bevölkerung vor schädlichen Einflüsen zu "schützen".

Dazu gehört die Errichtung von Konzentrationslagern, in denen ganze Bevölkerungsgruppen kulturell gleichgeschaltet werden sollen, namentlich die Uiguren aber auch andere.

(Wichtige Anmerkung an dieser Stelle: Ein Konzentrationslager ist nicht gleichzusetzen mit einem Vernichtungslager, wie es etwa Auschwitz-Birkenau eines war. Beide Begriffe werden leichtfertigerweise und allzu häufig miteinander verwechselt. Ein Konzentrationslager ist per definitionem ein Internierungslager, in dem ganze Volksgruppen eingesperrt werden, ohne dass aktiv Massenermordungen stattfinden. Konzentrationslager dienen der Disziplinierung und Umerziehung - exakt so, wie die chinesischen Lager angelegt sind, in denen ein großer Teil des Volkes der Uiguren eingesperrt ist. Vernichtungslager dienen dahingegen der physischen Auslöschung und waren zum Glück bislang eher eine Seltenheit in der menschlichen Geschichte.)


Die Liste der Merkmale, dass es sich bei der "zukunftsgewandten" chinesischen Gesellschaft in Wirklichkeit um eine faschistische handelt, könnte fortgesetzt werden. Es tut an dieser Stelle aber nicht Not.

Viel sinnvoller ist, die dahinterstehende Energie zu betrachten.

China ist ein Land mit einer sehr alten und auch hochentwickelten Kultur, das nach eigenem Selbstverständnis das "Reich der Mitte" ist und diesen Anspruch auch aktiv verfolgt. Mehr noch als in anderen Ländern der Welt verschmelzen hier kulturelle Eigenarten, die Suche nach nationaler Größe und auch eine gehörige Portion Rassismus zu einer unguten Melange, die eben so gar nicht "der Zukunft zugewandt" ist. Ganz im Gegenteil: Man wird den Eindruck nicht los, auch hier solle vor allem eine vermeintlich großartige Vergangenheit wiederbelebt werden. Schon die Tatsache, dass ständig von einer "neuen Seidenstraße" die Rede ist, sagt eigentlich alles. Auch hier also in Wirklichkeit: Rückwärtsgewandtheit.

Und wie bei allen Projekten, die der Restauration vergangener Größe dienen, hat man es hier mit zwei typischen Konstruktionsfehlern zu tun:

Zum Einen werden Probleme nicht global angegangen, sondern immer nur mit Hinblick auf den eigenen Nabel. Das wird der derzeitigen Krise, die eine globale ist, aber nicht gerecht. Zwar versucht die chinesische Regierung immer wieder den Anschein von Multilateralität und Kooperation zu erwecken, aber bei genauem Hinsehen sieht es eben anders aus.

Das kann man sehr deutlich in der derzeitigen Corona-Krise sehen: Beim ersten Erscheinen des Virus wurden die ersten Warner im eigenen Land mundtot gemacht und das Ausland nicht informiert. Allein das erst machte das Ausmaß dieser Krise erst möglich und kann getrost als Geschenk Chinas an die Welt verstanden werden. Dringend notwendige Selbstkritik in diesem Punkt findet nicht statt. Stattdessen werden neuerdings Ausländer dafür verantwortlich gemacht, das Virus ins Land zu tragen. Konstruktive Partnerschaft sieht anders aus.

Zum Anderen begeht man in China dieselben Fehler, die man schon vor über hundert Jahren machte, als das "großartige" chinesische Kaiserreich mehr oder weniger sang- und klanglos unterging. Mitnichten waren es die Europäer mit ihren modernen Geschäftsmodellen, Schiffen und Waffen, die das "Reich der Mitte" implodieren  ließen, sondern es waren die Verhältnisse in China selbst, die dazu führten. Das chinesische Problem lag nämlich in einer bis zur Erstickung hierarchisch geprägten Gesellschaft, bei der am unteren Ende eine große Masse von Billigarbeitern eine kleine Minderheit von Privilegierten fütterte. Entscheidungsträger saßen in dieser Gesellschaftspyramide ganz oben, wurden von schönrednerischen Hofschranzen beraten und blieben entsprechend weltfremd, denn echte Kritiker wurden mundtot gemacht. Das Volk diente lediglich der Mehrung der Reichtümer dieser Eliten und hatte ansonsten keine Mitsprache. Eine kafkaeske Bürokratie und Kontrolle erstickte jegliche Kreativität und Spontaneität.

Kurzum: Die Verhältnisse waren damals eigentlich genau so wie heute. Nur dass es heute noch nicht so offensichtlich ist - mit Betonung auf "noch". Bis zu einem gewissen Punkt können solche Strukturen ja sogar von Vorteil sein, etwa indem billig und schnell und ohne Widerspruch gearbeitet und hingenommen wird. Langfristig jedoch ist diese Verknöcherung nicht dafür geeignet, der Zukunft zu begegnen. Vor hundert Jahren nicht und heute auch nicht.

Damit aber entpuppt sich China als genau so rückwärtsgewandt und unfähig, die anstehende globale Krise führend zu lösen, wie die USA und Russland.



Die Europäische Union

Von den vier größeren "Machtblöcken" in der Welt ist die EU mit Sicherheit nicht nur der jüngste sondern auch der modernste. Es ist vor allem das Momentum ihrer Entstehung, das Anlass zu der Hoffnung gibt, dass die EU eher als andere eine Führungsrolle bei der Lösung der anstehenden globalen Krise übernehmen könnte: Über Jahrhunderte in lustvoller Feindschaft einander verbundene Länder rauften sich nach dem 2. Weltkrieg zusammen um ein gemeinsames "Etwas" zu erschaffen. Damals war das ein mehr als utopisches Projekt: in den Augen vieler Menschen muss es geradezu als Hohn gewirkt haben, nun plötzlich mit den tödlichen Erzfeinden gemeinsame Sache machen zu wollen. Aber dennoch wagte man den Versuch - aus der Not heraus.

Und genau vor diesem historischen Hintergrund muss man dann auch die EU in der globalen Krise einordnen: Sie ist eine real gewordene Utopie, die nur deshalb real werden konnte, weil ganze Völker über ihren egoistischen und nationalistischen Schatten sprangen - ungeachtet aller Unkenrufe und Miesmacherei. Und vor allem ohne jenes Denken, das immer nur die Wiederherstellung einer wie immer gearteten Vergangenheit zum Ziele hat.

Mit dieser Entstehungsgeschichte ist die EU mit Sicherheit die Institution, die am ehesten noch den Geist vermittelt, der heutzutage Not tut. Es geht um die Fähigkeit über die durchaus vorhandenen Differenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Es geht um die Fähigkeit, Verschiedenartigkeit zu respektieren und dennoch ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Kurzum: Es geht um das Ablegen des äffischen "Kokosnussdenkens" - und zwar aus Einsicht . Das gab es in der Geschichte der Menschheit bislang eher selten.

Und die EU kann das bewerkstelligen? Wohl kaum. Zumindest könnte sie alleine es nicht richten, da auch sie nur einen kleinen Teil des Planeten repräsentiert. Der Wert der EU liegt vielmehr darin, dass alleine schon ihre Existenz der Beweis dafür ist, dass es prinzipiell möglich ist, über heilig und unüberwindbar geglaubte Grenzen hinweg zu kooperieren. Und zwar erfolgreich.

Aber, um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht nur um diese doch eher hehre philosophische Vorbildfunktion der EU, sondern auch um ganz praktische Dinge, denn der Teufel steckt bekanntlich im Detail: die Kultivierung einer Konsensgesellschaft, die ganz und gar nicht triviale Handhabung der Vielsprachigkeit, die Schaffung von Standards, die Kooperation überhaupt erst möglich machen usw.. Die vielgescholtene europäische Bürokratie entpuppt sich hier als etwas ganz anderes als immer kolportiert wird: Sie genau ist die Vorform jenes Instrumentariums, das die Welt benötigt um gemeinsam in dieser Krise handeln zu können. Die einzige andere Möglichkeit wäre die Durchsetzung von "Lösungen" mit Waffengewalt. Kein vernünftig denkender Mensch kann das wollen.

Aber es wäre zu schön um wahr zu sein, wenn es so einfach wäre. Tatsächlich hat die EU mit vielen Problemen zu kämpfen, die in der Natur der Sache begründet liegen, und die sie darin behindern, ihre Potentiale zu entfalten.

Vor allem hat die EU viele Feinde. Innen und außen.

Außen sieht man jene Strömungen, die mit einem gewissen Neid beobachten, dass die EU wirtschaftlich und (allen Unkenrufen zum Trotz) auch politisch eine durchaus erfolgreiche Veranstaltung ist, und die ihre eigenen Pfründe davon gehen sehen. In diesem Sinne muss man die schon fast bemitleidenswert bemühte Dauergifterei des aktuellen US-Präsidenten gegen die EU verstehen. Sie ist eigentlich ein Beweis dafür, dass die EU stärker und besser ist als ihr Ruf. Ebenso die konstanten Versuche seitens Russlands, Zwietracht in der EU zu säen. Aber letztendlich sind diese "Feinde" harmlos, so lange die Europäer selbst ihren Kompass in der Hand halten.

Viel gefährlicher sind deshalb die inneren Feinde. Es sind Regierungen wie die ungarische oder die polnische oder politische Strömungen wie der "Front National" in Frankreich oder die "AfD" in Deutschland, die mit ihrem Boykott der europäischen Werte (die letztendlich klassische demokratische Werte sind) das gesamte Projekt behindern und torpedieren. An dieser Stelle zeigt sich dann auch die wahre Schwäche der EU: sie versäumt es, da durchzugreifen, wo es Not täte. Es sollte z.B. durchaus möglich sein, die EU-Mitgliedschaft von nicht demokratischen Ländern wie Ungarn oder Polen ruhen zu lassen bis eine Änderung der politischen Verhältnisse in diesen Ländern wieder eingetreten ist - so wie ganz selbstverständlich im Fußball ein Teammitglied aus der Mannschaft ausgeschlossen wird, wenn es sich nicht an die Regeln hält. Auch hier geht es um qualitative Standards.

Man sollte dabei auch nicht verkennen, dass z.B. sowohl die "Front National" als auch die "AfD" nachgewiesenermaßen von außen unterstützt werden, namentlich von Putins Russland. Streng genommen sind diese Parteien und Strömungen die wahren "Vaterlandsveräter" hierzulande. Aber es gibt sie nun einmal, und die EU sollte mit diesen Tendenzen angemessen umzugehen lernen. Letztendlich ist dies die wichtigste Prüfung, die es für die EU zu bestehen gilt - und nicht nur für sie. Man muss nämlich leider auch sagen: Wenn die EU das nicht schafft, dann schafft es der Rest der Menschheit mit Gewissheit auch nicht.


Bis hierher die Betrachtung jener vier wichtigsten politischen Akteure auf diesem Planeten, denen man es am ehesten zutrauen würde, eine Führungsrolle bei der konstruktiven Bewältigung dieser Krise einzunehmen. Selbstverständlich gibt es noch weitere Akteure und es wäre falsch, nur auf diese vier zu schauen und darauf hoffen, dass sie es schon richten werden. Eher sollte man das Gegenteil tun: Sich ihrer Schwächen, Fehlentwicklungen und Unfähigkeit bewusst werden. Dann könnten weitaus bessere und wirksamere Instanzen/Kräfte/Möglichkeiten in den Vordergrund treten.


Und am Ende bleibt dann natürlich noch die Frage: Warum ist das alles wichtig? Was geht mich oder uns das alles an? Nun, es geht um die Frage, ob man Zukunft als solche wichtig findet. Und das ist in Wirklichkeit eher ein Gefühl als eine Frage, ein Gefühl, das Teil des Lebens selbst ist. Und zwar des eigenen.

Ansonsten bliebe nur, über den folgenden bekannten Witz herzlich zu lachen und dann die Kerzen auszublasen:

Zwei Planeten begegnen sich.
Sagt der eine zum anderen: "Hey, was ist denn mit Dir los? Du siehst ja ganz krank aus!"
"Ach", sagt der andere, "mir gehts grad gar nicht gut. Ich habe die Menschen."
"Mach dir deswegen keinen Kopp,", sagt der erste, "das geht vorbei!"


Berlin, 17.04.2020

 

Anmerkung: Dieser Text unterliegt ausdrücklich nicht dem Urheberrecht, sondern darf nach Belieben vervielfältigt, verbreitet, verlinkt, übersetzt und zitiert werden.